00_gruntz_plakat_klein 2007 - Werner Zeindler

George Gruntz
Pianist Komponist Orchesterleiter

[Kinofilm 70 Min.]


Der Film mit George Gruntz zeigt, dass im Jazz das wichtigste Qualitäts-Element die Improvisation ist, dass die Improvisation ein spontaner Kompositions-Prozess ist. George Gruntz sagt: «Jazz muss man ganz ausleben, ein bisschen ist nie gut.»

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George Gruntz erreicht heute mit seiner Musik immer mehr auch ein Publikum, das sonst klassische Musik hört. Er ist seit mehr als vier Jahrzehnten eine die internationale Jazzszene prägende Persönlichkeit.

«Gruntz hat in den letzten Jahren zu einer Stringenz und Klarheit gefunden, die selbst die komplexesten Satzgefüge so klingen lassen, als wärs ein Kinderspiel.» (Basler Zeitung/Juni 2007)


Der Film zeigt den erfolgreichen und vielseitigen Musiker heute, zeigt den diszipliniert und intensiv Arbeitenden, zeigt, wie seine Musik entsteht. Mit Ausschnitten aus einem Filmdokument von 1972 öffnet sich die Zeitschere. Damals als Vierzigjähriger stand er vor seiner weltweiten Karriere als Pianist, Komponist, Arrangeur, Orchesterleiter, Festivalleiter, Theater- und Filmmusiker.
Er ist ein Ruheloser, ein Suchender, mit grosser Neugier nach den Möglichkeiten des Jazz. Er ist meist unterwegs, verfolgt gleichzeitig mehrere Projekte, komponiert ständig neue Werke. Er führt unterschiedlichste Musiker und verschiedenste Musikarten aus der ganzen Welt zusammen und formt sie zu einer Einheit. Der Film zeigt ihn allein am Piano, mit der NDR-Bigband im Studio in Hamburg, mit seiner «George Gruntz Concert Jazz Band» bei Proben und in Konzerten. In einem Workshop mit Jazzstudenten hält er dazu an, nicht die ausgetretenen Pfade zu gehen, sondern eigene Wege einzuschlagen, sich selbst immer weiter zu entwickeln.
Der 75jährige hat in der letzten Zeit aber auch gelernt, vermehrt Nein sagen zu können, um sich ausschliesslich auf sein künstlerisches Weiterkommen und auf seine eigenen Projekte zu konzentrieren.


«Ganz sicher weiss ich, dass alles was ich tue, mit Jazz zu tun hat – mit Jazz zu tun haben muss.» (George Gruntz 1972)

«Man kann nicht Jazz auch.» (George Gruntz 2007)


Man erlebt einen George Gruntz zwischen orchestralen Grossprojekten mit Bigband, dem Piano-Solokonzert und seinem Arbeitszimmer. Der Film zeigt den Musiker heute mit 75 Jahren und vor seinem internationalen Durchbruch im Alter von vierzig Jahren. Diesen Künstler über ein Jahr mit der Kamera immer wieder zu begleiten, war die Voraussetzung, um im Film seine Vielseitigkeit zeigen zu können.


Da ist seine mehrere Monate dauernde Beschäftigung mit dem Bassisten Charles Mingus (1992-1979), aus dieser die Komposition einer Fünfsatzsuite entsteht, sowie das Arrangement des Mingus-Titels «Fables of Faubus». Für George Gruntz ist dies wegen seiner politischen Aussage gegen den Rassismus ein sehr wichtiges Stück. Für die Kompositionsarbeit und das Schreiben der Partitur zieht er sich zurück in sein Arbeitszimmer. Die Einstudierung dieses zweieinhalbstündigen Programms mit der NDR-Bigband im Studio des Norddeutschen Rundfunks in Hamburg zeigt denn auch einen Höhepunkt der Konzentration bei der Realisation dieses Mingus-Projekts von George Gruntz.
Er hat eine Ägide für den Nachwuchs. Dies ist auch im Film ein wichtiger Aspekt. Gruntz will junge Talente fördern, integrieren, befreien von modischem, von illusionistischem von clichiertem. Er hält keine theoretischen Vorträge – er zeigt es im Zusammenspiel. Beim «Interlaken Jazz Worshop», einem Meisterkurs mit seiner «George Gruntz Concert Jazz Band» erarbeiten die Solisten der Band in den Sections zusammen mit Jazzstudenten und fortgeschrittenend Amateurmusikern ein paar Titel ein, die dann in einer gemeinsamen Probe und in einem Konzert am Abend auch gespielt werden. Er selber kümmert sich um einen jüngeren Pianisten, mit dem er nur an einer einzigen einfachen Harmonie arbeitet.


Stichwort «George Gruntz Concert Jazz Band»: Sie ist sein Lebenswerk und sein Herzstück seit fünfunddreissig Jahren. Der Film skizziert die Geschichte dieser Bigband vom Heute aus. Hier öffnet sich auch die Zeitschere mit einem Ausschnitt aus dem Film «Ein Konzept in Musik» von 1972, der die Probenarbeit mit der damaligen ersten Formation zeigt. Mit dabei waren unter anderem Dexter Gordon, Daniel Humair, Phil Woods, Woody Shaw, Benny Bailey, Sahib Shihab, Vater und Sohn Ambrosetti.
Quirlig, fast tänzelnd, lachend und mit grosser Spiellust wie eh und je spornt Gruntz als Bandleader auch heute noch immer seine fünfzehn Musiker an, teilweise Stammspieler seit über dreissig Jahren, gibt die Einsätze mit Handbewegungen, kleinen Gesten oder auch nur mit Blicken. Der Film verfolgt die Proben und das Konzert in Paris und das Celebration-Konzert aus Anlass von Gruntz’ 75. Geburtstag in Basel. Schon 1972 sagte er – und heute bestätigt er seine Aussage zu seinem Konzept der Band: «Eine Gruppe von Leuten zu haben, in der jeder für sich ein Solist ist, wo jeder seine Kraft einbringt für das Orchester, damit das entstehen kann, was eine Jazz-Bigband sein soll und muss. Wichtig ist mir, dass die formalen Bedingungen geschaffen sind, damit die Musiker mit der Identifikation ihrer Persönlichkeit sich interpretatorisch äussern können.»


Jazz als dramatische Handlung. Die Jazzoper mit Bigband und improvisierenden Jazzsängern ist eine Erfindung von George Gruntz. Im Auftrag von Rolf Liebermann schrieb er 1972 «Magic of a flute», ein abendfüllendes Werk für die Pariser Oper. Die Oper basiert auf dem Libretto der «Zauberflöte», aber von Mozarts Musik ist in der «Magic of a flute» von George Gruntz nichts mehr erkennbar. Ein lebenslängliches Projekt ist es, das nie szenisch aufgeführt wurde. Andere Formen für dieses Werk waren gefragt, etwa eine konzertante Aufführung des Gesamtwerks in Gstaad. George Gruntz schrieb auch eine Fassung für ein Octet, mit ihm am Piano, für Flöte und Tenorsaxophon, Bass und Schlagzeug, mit drei Sängerinnen und einem Sänger. Der Film zeigt die bisher letzte konzertante Aufführung an den Ehinger Jazztagen 2006.
Im Gegensatz zu «Magic of a flute» wurde Gruntz’ Jazzoper «Cosmopolitan Greetings» unter der Regie von Robert Wilson auf Initiative wiederum von Rolf Liebermann von der Hamburger Oper aufgeführt. Das Libretto des Poeten der Beat-Generation, Alen Ginsberg, spiegelt die Lebensgeschichte der Jazzsängerin Bessie Smith.

Der Film zeigt George Gruntz heute und stellt ihn vor den Hintergrund seiner Biografie:
23 Jahre lang war er künstlerischer Leiter vom JazzFest Berlin. Auch da – er wollte stets zu Neuem aufbrechen – das war für ihn Programm.
Der 75-jährige, der Jahrzehnte umtriebig, ruhelos, aktiv, von Engagement zu Engagement, von Projekt zu Projekt, unterwegs ist, hat nach einem gesundheitlichen «Schuss vor den Bug» gelernt, seine Zeit anders, bewusster, kritischer, entschiedener einzuteilen. Er hat gelernt, Nein zu sagen und sich mit grosser Lust und viel Kraft ausschliesslich auf seine eigenen künstlerischen Projekte zu konzentrieren.